Turrón-Nougat zur Kunst erhoben, von Pablo Garrigós
Wir beginnen unsere gemeinsame Iberien-Entdeckungsreise am Gaumen klarerweise ganz weihnachtlich, immerhin stehen die „Navidades“ vor der Tür. Und das mit einem Spitzen- und Naturprodukt, das bei keinem Weihnachtsfest fehlen darf: Mandel-Turrón de Jijona, die Wiege der Produktion und dafür besuchen wir den Familienbetrieb Pablo Garrigós Ibáñez.
Familien- und Handwerkstradition in der vierten Generation, eine Rückbesinnung auf die Ursprünge sowie nur beste lokale Zutaten, ja damit wäre das Geheimnis hinter einem Premium-Turrón der Extraklasse gleich zu Beginn offenbart.
In allererster Linie sind das die typisch-spanischen „Marcona“-Mandeln (süßer und weißer, „die Königin der Mandeln“ genannt) und Honig aus Orangenblüten oder wildem Rosmarin, der an der spanischen Levante-Mittelmeerküste um Alicante und Valencia wächst. Aus dieser harmonisch-ausbalancierten und lustvollen Liaison ergeben sich die Gourmet-Túrron-Varianten von Pablo Garrigós Ibañéz aus Jijona (Valencianisch Xixona). Spaniens Turrón-Welthauptstadt mit Alicante, die der örtlichen Köstlichkeit auch ihren Namen gab. Eine regelrechte Ambrosia, göttlich als unabdingbares Geschenk der Spanier zu Weihnachten und stets präsenter auch fern der Desserts auf den Tellern der Spitzengastronomie.
Turrón, ein Mandelnougat das von Pablo Garrigós Ibáñez in der Jijona-Variante (fein-geröstet, feinst-gemahlen, mit aromatischem Honig harmonisch abgeschmeckt und einer Kleinstmenge Zucker keinesfalls zu süß), das über 75 Prozent Rohmandelanteil aufweist. Rekordverdächtig, zweifelsohne am Turrón-Markt. Riesige, mechanische Mörser, „Boixet“ im Valencianischen genannt, arbeiten dann stunden-, ja tagelang um die ideale Homogenität der absolut naturbelassenen Masse zu erreichen.
Hochbetrieb ab Herbsbeginn
„Vier bis fünf Tage dauert die Produktion des Jijona-Turróns“, erklärt mir Henedina Garrigós Jornet im Gespräch. Es herrscht Hochsaison im Betrieb für Turrón, das bedeutet Spitzen in der tagtäglichen Produktion. Und das unter den besonders-strengen Hygiene-Auflagen in der Coronavirus-Pandemie. Auch wenn man ganzjährig produziert, mit einem Team von etwa 20 Angestellten, setzt die Hauptphase mit der Ernte der Marcona-Mandel ein, die am spätesten Reife ihrer Art, Anfang Oktober, wenn die Früchte der im Februar weiß-rosé blühenden Bäume ihre Vollkommenheit erreicht haben. „Etwa 80 Prozent der Produktion konzentriert sich auf die drei Monaten vor Weihnachten, aber auch die Gastronomie, prinzipiell Turrón-Eiscreme im Sommer, und für Urlauber als Mitbringsel stellen mittlerweile ein Fünftel der Produktion.“
Henedina, ist eine der Töchter des Gründers, Pablo Garrigós, der sich vor über 32 Jahren mittlerweile von seinen Geschäftspartnern, auch „Turronerós“ in der dritten Generation damals, lossagte. „Um weg von der Massenproduktion Ursprung und Tradition der Turrón-Produkte zu wahren“, sagt Henedina weiter: „Nur beste Rohstoffe, lokal produziert und gewachsen sowie meisterliche Zubereitung“, lautet seither die Devise. Selbst als in den 1980er-Jahren „die typische Form der Verpackung, in Holzkistchen von allen Produzenten aufgegeben wurde, setzte mein Vater weiter darauf, und wie es sich gehört, Edelkastanienholz“. Sie und ihre Schwester Débora Garrigós sind nach ihrem Vater beide als CEOs am Ruder der Turrónmanufaktur. Ihres ist dasselbe Handwerk, dem bereits ihre Familien Großväterlicher- und Großmütterlicherseits wohlgemerkt, nachgegangen sind.
Der Jijona-Turrón ist Mandel pur, homogen-weich, sei es als „Tableta“ (Tafel) oder – Kenner wissen das – als runde „Torta“ (Torte): Die mandelölige Version, das Nonplusultra, „die oberste Schicht der Produktion wird dafür direkt verpackt“, sodass man diese laut Henedina Garrigós „löffeln kann“. Der „Turrón de Alicante“ ist hingegen der überaus knackige Kontrast, und wird an einem einzigen Tag produziert: Ganze Mandeln, umgeben von Honig, Zucker und Eiweiß, die neben dem Röstaroma der herausragenden Marcona-Mandeln, die Pablo Garrigós und seine Töchter stets verwenden, und geschmacklich entfernt an „Türkischen Honig“ erinnern.
Naschen, wie vor der Entdeckung der „Neuen Welt“
Der „Turrón“ hat wie so vieles in Spanien seine Wurzeln im Al-Andalus und der Arabisch-Muslimischen Ära, fast 800 Jahre der Herrschaft, die 1492 mit der Kapitulation des letzten Maurenkönigreichs Granadas endeten. Schokolade war damals den Europäern, die im selben Jahr Amerika entdeckten, ja noch nicht bekannt: Süßspeisen waren (und sind bis heute) im Arabischen Raum auf Basis von Nüssen, in Honig, Rosen- oder Orangenwasser getränkte (Blätter-)Teige, Johannisbrot und Trockenfrüchte. Stichwort „Halva“, etwa aus Sesamsamen, das sich vom Arabischen Wort „süß“ („halua“) ableitet. Es sind Traditionen, die sich auch in der typisch-österreichischen Weihnachtsbäckerei nicht selten wiederfinden: Mandeln, weihnachtliche Gewürze wie Zimt, Nelken, Muskat, Piment, Pistazien, Blätterteig, kandierte Früchte, all das ist mit unser aller maurisches Erbe. In Spanien, wie in Österreich. Das Kekse-Backen hat in Spanien im Familienkreis zwar keine Tradition, aber Mandelgebäck wie „Mazapanes“ (Nomen est omen: Marzipan gebacken), himmlische „Pasteles de Yema“, „Eigelbküchlein“ oder Mandel-„Polvorones“ (Obacht, sie sind überaus trocken und bröselig, aber herrlich!) haben aber ihren unbestrittenen Fixplatz zu Weihnachten.
Sterne- und Haubenköche zaubern mit „Turrón“
Mit der Spitzengastronomie will das Familienunternehmen die Saisonabhängigkeit des Turrón verringern. So arbeitet man mit dem Chef Santi Gómez (der Erfinder des Turrón-Gin-Tonic, dazu ein andermal an dieser Stelle) eng zusammen, der den Jijona-Turrón formidabel mit Sushi, als Pesto oder eben zu Blauschimmelkäse kombiniert. Michelin-Sterne-Köche in Spanien schafften und schaffen Kreationen mit Turrón, darunter große Namen, wie Martín Berasategui, Quique Dacosta, der Konditor Jacob Torreblanca oder eben der auf „Andalusí“-Kreationen (ausschließlich Zutaten und inspiriert von maurischen Rezepten, die es vor 1492 gab) spezialisierte Paco Morales in seinem „Noor“ in Córdoba. Unser Haubenkoch bei Colono-Gourmet, Oche Aranda hat eigens ein weihnachtliches Rezept mit Turrón kreiert: Rindswange in Rotwein gekocht und Mandelturrón (Turrón de Jijona)
Übrigens im zuckerfreien Turrón verwendet man bei Pablo Garrigós um auch den Honig zu ersetzen Maltitol, Sorbitol und Inulin. Innovation ist eben neben all der Tradition ein weiteres Standbein der Turrón-Familie. So tüftelt man stets an neuen Variationen und Geschmackskombinationen, wie eine weihnachtliche Turrón-Kreation mit Milchschokolade, Spekulatius und Himbeere, und allen voran bei den famosen „Chocolates Vintage“, die es abschließend noch hervorzuheben gilt.
Übrigens bei unserer nächsten Etappe geht es ins berühmte Weinbaugebiet Ribera del Duero (Kastilien-León), zu Cillar de Silos von Amalio Aragón, wo wir mit ihm über seine Spitzenweine, wie den „Torresilo“ sprechen, und diese auch verkosten werden. Bis dahin, dulces momentos, buen provecho y sobre todo ¡salud!
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